Wie über 50-jährige Fachkräfte wieder einen Job finden

Wiedereinstieg in den Job mit 50+. In Neue Züricher Zeitung, von Natalie Gratwohl, Schaffhausen.

    Wiedereinstieg in den Job mit 50+ - X SIEBEN

Fotoquelle: Pixabay

 

Im Zuge des Strukturwandels und der zunehmenden Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland verlieren auch vermehrt gut qualifizierte Arbeitnehmer ihre Stelle.

Besonders schwierig ist die Situation für ältere Arbeitskräfte, die in der Regel nach einer Entlassung deutlich länger arbeitslos sind als jüngere.

Die zweite Karriere

An diese Gruppe der älteren, gut qualifizierten Arbeitslosen richtet sich das «Jobjäger»-Programm des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) in Schaffhausen, das über die Kantonsgrenzen hinaus auf Interesse stösst. Sogar der ehemalige Bundesrat Johann Schneider-Ammann besuchte das Arbeitsamt, um sich davon ein Bild zu machen.

Das Programm umfasst Workshops, Weiterbildungen, Bewerbungscoachings und persönliches Mentoring. Die Teilnehmer können etwa eine digitale Businesscard erstellen. Mit einem solchen Video rückt die Persönlichkeit des Kandidaten schon früh im Bewerbungsprozess in den Vordergrund. «Je menschenorientierter wir arbeiten, desto erfolgreicher sind wir», sagt Dienststellenleiter Vivian Biner.

Das Programm setze auf die Stärken der Teilnehmer und schaffe Anreize, ihr Leben zu überdenken, neue berufliche Chancen zu erkennen und Zukunftspläne zu entwickeln.

Teilnehmerin Yvonne Thoma, die als Bereichsleiterin in einer IT-Firma tätig war, hat nach dem «Jobjäger»-Programm eine ganz neue Karriere eingeschlagen. Der Kurs habe sie bei einem Gedankenprozess begleitet, den sie in der Komfortzone der Festanstellung nie selber angestossen hätte, erzählt sie. Die fachliche und persönliche Beratung habe sie darin unterstützt, sich selber die richtigen Fragen zu stellen und deshalb neue Berufsziele zu verfolgen.

Seit einigen Monaten arbeitet Thoma nun als selbständige Headhunterin und Partnerin in einem kleinen Unternehmen. Ihr Geschäft steckt noch in der anstrengenden Aufbauphase. Dennoch sei sie zufrieden, wenn sie am Abend nach Hause komme, sagt Thoma. Dies sei früher immer seltener der Fall gewesen.

Das Programm unterstützt die Stellensuchenden auch dabei, den Schock der Entlassung zu überwinden. Eine wichtige Rolle spielen die anderen Teilnehmer, die das gleiche Schicksal teilen. Die Gruppen sind bewusst nach Branchen und Berufserfahrung durchmischt. Die Teilnehmer sind zwischen 40 und 60 Jahre alt.

Laut Siegfried Bernath, der das Programm ebenfalls absolviert hat, entsteht mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis zwischen den Teilnehmern, die in den Kursen viel Persönliches austauschen.

Der frühere Teamleiter im Verkaufsaussendienst eines kleineren Unternehmens hatte kurz nach seiner Entlassung ein Jobangebot erhalten. Angesichts der schwierigen Situation wollte er die unpassende Stelle antreten, doch in Absprache mit dem RAV-Berater sagte er ab.

 

Geduldige «Jobjäger»

«Wir streben nicht nur eine rasche, sondern vor allem auch eine nachhaltige Stellenvermittlung an», sagt Bruno Büchi, Ressortleiter Arbeitsmarktliche Massnahmen beim Arbeitsamt. Der Job müsse zur Person passen, sonst steige das Risiko, dass sie bald wieder arbeitslos werde, und dann sei die Stellensuche umso schwieriger. Im Vermittlungserfolg schlägt sich dieses Vorgehen nicht negativ nieder. Im Gegenteil: Rund jeder zweite «Jobjäger» fasst bereits während des Programms im Arbeitsmarkt Fuss.

Für Bernath hat sich die Geduld gelohnt. Heute arbeitet er im Verkaufsinnendienst eines Grosskonzerns. Um mehr Zeit für das Privatleben zu haben, sei er bewusst einen Schritt zurückgetreten. Der Familienvater verdient heute einen Fünftel weniger, was sich auf den Lebensstandard auswirkt («Smart anstatt BMW», «Camping- statt Hotelferien»).

Bernath ist kein Einzelfall. Laut Pascal Scheiwiller, Chef der Outplacement- und Karriereberatung von Rundstedt, sind ältere Arbeitslose heutzutage vermehrt bereit, teilweise erhebliche Lohneinbussen in Kauf zu nehmen. Auch bei den Arbeitgebern wachse der Mut, über 50-jährige Bewerber zu einem deutlich tieferen Salär anzustellen.

Früher war bei den Unternehmen die Befürchtung noch verbreiteter, dass ältere Arbeitslose den weniger gut bezahlten Job nur als vorübergehenden Notnagel sehen und kündigen, sobald sie eine bessere Stelle gefunden haben.

Viele Firmen stellen Mitarbeiter aufgrund ihrer derzeitigen Fähigkeiten und nicht aufgrund ihres Potenzials ein, sie trauen älteren Bewerbern eher wenig Agilität und Lernfähigkeit zu und befürchten, dass sie hohe Lohnvorstellungen haben. Laut Biner ist es daher in Personalabteilungen nach wie vor verbreitet, dass Bewerber über 50 automatisch herausgefiltert werden.

 

Das Alter wird zweitrangig

Mit dem Jobmarkt, der ebenfalls zum Programm gehört, wird der Spiess umgedreht. Dreimal im Jahr kommen Unternehmen und «Jobjäger» zusammen. Die Personalverantwortlichen erhalten im Vorfeld die wichtigsten Angaben zur Person, jedoch ohne Alter, Foto und detaillierten Lebenslauf.

Im Rahmen des Jobmarkts finden dann viele Treffen in kurzer Zeit statt. Sei ein Unternehmen erst einmal von der Person und ihrer Kompetenz überzeugt, spiele das Alter keine grosse Rolle mehr, sagt Biner.

So wurde etwa ein RAV-Kunde eingestellt, der sich zuvor für die gleiche Stelle bereits zweimal beworben hatte und abgelehnt worden war. Oder ein Unternehmen, das nur online rekrutiert und mit Filtern arbeitet, entschied sich am Jobmarkt für einen über 60-jährigen Branchenfremden. «Plötzlich wird erkannt, welchen Mehrwert der Kandidat der Firma bringt», sagt Biner.

Genau diese Chance wird im konventionellen Bewerbungsprozess vertan, wenn es Ältere wegen genereller Vorbehalte nicht bis ins Vorstellungsgespräch schaffen.

 

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